Mit Pfeil und Bogen bewaffnet verteidigen die isoliert lebenden Sentinelesen ihre Insel. Die feindselige Haltung ließ den indigenen Stamm im Gegensatz zu anderen Urvölkern jahrtausendelang überleben.

Im Westen Indiens, neben den Andamanen Inseln, findet man North Sentinel Island, nur 60 km² groß und von einem wunderschönen Riff umgeben. Doch ein Besuch auf der Insel ist zum Schutz der Inselbewohner nicht erlaubt und definitiv auch nicht anzuraten – denn die Sentinelesen töten jeden, der sich nur in ihre Nähe wagt. 

Ihre Feindseligkeit gegenüber Fremden ist jedoch verständlich, denn das indigene Volk hat von Außenstehenden im Laufe der Geschichte viel Gewalt, Verachtung und Unverständnis erfahren. 

Es wird vermutet, dass das Sentinelesen direkte Nachfahren der ersten Menschen sind, die auf ihrer Wanderung aus Afrika vor ungefähr 60.000 Jahren die Andamanen Inseln besiedelten. Die Tatsache, dass ihre Sprache sich selbst von denen anderer andamanischer Insulaner stark unterscheidet, lässt vermuten, dass sie seit Jahrtausenden kaum Kontakt zu anderen Menschen hatten.

Andere indigene Stämme der Inselgruppe im Indischen Ozean wurden hingegen beinahe ausgelöscht, nachdem sie mit der Zivilisation in Kontakt kamen. Viele wurden versklavt, die meisten starben an Krankheiten, gegen die sie in der Abgeschiedenheit keine Abwehrkräfte entwickeln konnten. Und die, die überlebten, werden wie bei einer Safari Touristen vorgeführt. 

 

Kontaktversuche scheiterten immer wieder 

 

Immer wieder wurde im Laufe der Zeit versucht, Kontakt zu den Sentinelesen aufzunehmen. 1879 wurde beispielsweise ein älteres Paar mit vier Kindern von der Insel entführt, und gewaltsam nach Port Blair gebracht, um das Volk nach und nach zu „zivilisieren“. Jedoch starben die beiden älteren Menschen sofort, da diese – wie es heißt – nicht immun gegen die damaligen Krankheiten waren. Der für die Entführung verantwortliche Kolonialoffizier beschrieb, dass die ganze Gruppe „schnell erkrankte und der alte Mann und die Frau starben, sodass die vier Kinder mit mehreren Geschenken wieder nach Hause geschickt wurden.“

Obwohl verantwortlich für den Tod von mindestens zwei Menschen und wahrscheinlich auch dem Ausbruch einer Epidemie, zeigte der Offizier keine Reue. Er merkte lediglich „den eigentümlich schwachsinnigen Gesichtsausdruck, sowie das Benehmen der Sentinelesen“ an.

Auch im Jahre 1974 näherte sich ein Filmteam im Rahmen einer Dokumentation („Man in Search of Man“) mit dem Boot. Mit Geschenken, wie Kokosnüssen, versuchte man die Menschen auf North Sentinel Island zu besänftigen. Ohne Erfolg!  

 

(Video: Dale Andrews)

 

Immer wieder versuchte die indische Regierung, das Volk mit Geschenken zu besänftigen, damit sie im Anschluss auf der Insel eine Palmenplantage errichten und die Sentilesen zu Bauern machen können – auch diese Versuche scheiterten. 

Der politische Druck von Survival International und anderen Organisationen, die sich für die Rechte von indigenen Völkern einsetzen, hat die indische Regierung aber schließlich dazu gebracht, ihre Strategie gegenüber den Sentinelesen zu ändern. Um diesen Schutz zu wahren, patrouilliert auch die indische Polizei vor den Küsten der Insel.

2006 widersetzten sich zwei Fischer dem Verbot der Regierung – auch sie bezahlten – wie man später herausfand – mit ihrem Leben.  

Glück hatte die Besatzung eines Schiffes, das Ende des 20. Jahrhunderts vor der Insel auf Grund lief – dank hoher Wellen war es den Sentinelesen nicht möglich zum Schiff zu gelangen. Die Schiffbrüchigen konnten mit dem Helikopter unbeschadet von Bord geholt werden. Ein Bergung des Schiffes war allerdings nicht möglich. Das Wrack liegt bis heute vor der Insel. Aus den Materialien, die sie aus dem Schiff sammelten, konnten die Sentinelesen Werkzeuge bauen.

 

Sie überlebten sogar den Tsunami

 

Wie man sieht sind diese Menschen auch in der völligen Isolation keineswegs hilflos. So waren sie auch die einzigen, die den Tsunami 2004 nahezu unbeschadet überstanden hatten, wie damals aus dem Helikopter festgestellt wurde, als man die Insel überflog. Auch auf diesen Besuch reagierte das Volk mit Speer-Attacken und Pfeil und Bogen. Was aber auch verständlich ist: So ein unbekanntes und lautes Ungetüm am Himmel – da kann man auch Angst bekommen. 

 

Nach dem Tsunami 2004 verängstigte der Helikopter, der über die Insel flog, um Schäden zu dokumentieren, diesen Sentinelesen. 

 

Satellit erzeugte neuerliche Aufmerksamkeit 

 

Seit damals lebte der isolierte Stamm auf North Sentinel Island in Ruhe – bis kürzlich ein Satellit der Europäischen Weltraumorganisation Esa die Insel ins Visier nahm. Der Satellit – der zufälligerweise auch noch Sentinel-1A heißt – wurde im April 2016 ins All geschickt, um unzugängliche Regionen zu dokumentieren. Mit seinem Hightech-Radar tastete er die Oberfläche der Insel ab und die Bilder von North Sentinel Island waren die ersten, die der Öffentlichkeit präsentiert wurde. 

Der beinahe in Vergessenheit geratenene Stamm und die geheimnisumwitterte Insel geraten dadurch neuerlich in den Fokus Neugieriger. Um aber nicht von Pfeil und Bogen durchbohrt zu werden, will man nun mit Drohnen vorgehen. 

Survival International, die auch zum Tourismusboykott der Andamanen-Inseln aufruft, solange dort „Menschensafaris” stattfinden, warnt neuerlich davor, dass mit unkontaktierten Völkern wie den Sentinelesen kein Kontakt aufgenommen werden soll, da dieser eine Lebensgefahr für die Mitglieder des Volkes darstellt. 

 

 

Dieses Video wurde in den 1990ern bei einer Expedition der indischen Regierung aufgenommen. (Quelle: Survival) 
 

Hier erfährst du mehr über Survival International und wie sie indigenen Völkern helfen ihr Leben zu verteidigen, ihr Land zu schützen und ihre Zukunft selbst zu bestimmen.