Wundersame Glasmodelle wirbelloser Meerestiere aus der Sammlung der Uni Wien sind im Naturhistorischen Museum zu sehen. Auch eine Sonderschau über Biodiversität startet am Mittwoch.
Mit Beginn der meeresbiologischen Forschung im 19. Jahrhundert wuchs das Interesse nach Darstellungen von Quallen, Kalmaren, Anemonen und Co.. Ein böhmischer Glasbläser stillte die Nachfrage mit realistischen Glasmodellen und brachte es dabei zu hoher Perfektion. Das Naturhistorische Museum Wien zeigt nun ab 30. November diese Unterwasserwelt aus Glas. Neu ist auch eine Sonderschau zur Biodiversität.
Als man im 19. Jahrhundert begann, systematisch die bis dahin unbekannte Unterwasserwelt zu beforschen, stieß man bald auf das Problem, die faszinierenden Lebewesen zu konservieren. Speziell bei den wirbellosen Meerestieren war das nicht so einfach, in Alkohol eingelegt verloren sie rasch Farbe und Form.
Meerestiere: Außergewöhnliche Genauigkeit
Der böhmische Glasbläser Leopold Blaschka (1822-1895) begann daher ab 1863, später unterstützt von seinem Sohn und einzigen Lehrling Rudolf (1857-1939), Quallen, Tintenfische, Meeresschnecken und andere wirbellose Meerestiere in Glas nachzubilden. Die beiden entwickelten dabei eine außergewöhnliche Genauigkeit in der Darstellung und handwerkliche Meisterschaft, die auch von namhaften zeitgenössischen Naturwissenschaftlern anerkannt wurde.
Mehrere Tausend Objekte entstanden so im Laufe der Jahre, die als begehrte Anschauungsobjekte an Schulen und Universitäten in zahlreiche Länder geliefert wurden. Mit 145 Modellen besitzt die Universität Wien nach dem Stift Kremsmünster die zweitgrößte Sammlung im deutschsprachigen Raum. Sie wurde 1880 vom Zoologen Carl Claus angekauft, der die Zoologische Station in Triest gründete. Von dieser Station bezogen die Blaschkas regelmäßig lebende Tiere, die sie in Aquarien in ihrer Werkstatt in Dresden als lebende Vorlagen hielten.
Später fertigten die beiden Glasbläser fast nur noch botanische Modelle. Die Harvard University (USA) hatte einen Exklusiv-Vertrag mit den Blaschkas, die mehrere Tausend Glasblumen von mehr als 800 Pflanzenarten anfertigten. Diese sind auch heute noch im Museum of Natural History der renommierten Uni zu sehen.
Im NHM waren im Saal 22, wo u.a. Korallen und Weichtiere präsentiert werden, schon immer einige Glasmodelle der Blaschkas zu sehen. Nun stellt die Uni Wien 45 Objekte aus ihrer Sammlung zur Verfügung, die vorerst für fünf Jahre in zwei Vitrinen in dem Saal präsentiert werden. Fragile Modelle wie eine Perlenketten-Qualle oder ein Kalmar mit langen hauchdünnen Fangarmen sind ebenso zu sehen wie bizarre Lebewesen wie ein Spaghettiwurm, ein Seestiefmütterchen oder verschiedene Meeresschnecken.
Dass die Objekte aus der Uni Wien-Sammlung so gut erhalten sind, haben sie auch ihrer besonderen Geschichte zu verdanken: Von der Zwischenkriegszeit bis Anfang der 1980er-Jahre lagerten sie vergessen in den Hohlräumen unter dem ansteigenden Rängen eines Hörsaals im Uni-Hauptgebäude, erklärte Claudia Feigl, Sammlungsbeauftragte der Uni Wien.
„Reise durch die Artenvielfalt“
Die wirbellosen Meerestiere sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der Vielfalt der Lebewesen auf der Erde. Schätzungen zufolge gibt es etwa elf Millionen verschiedene Arten, erst 1,9 Millionen davon wurden wissenschaftlich beschrieben. Eine „Reise durch die Artenvielfalt“ bietet eine weitere Schau im NHM, die ab morgen, Mittwoch, im Saal 50 zu sehen ist. Die Wanderausstellung „Vielfalt zählt! – Expedition durch die Biodiversität“ der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) macht bis 17. April in Wien halt.
Anhand anschaulicher Beispiele und den drei Lebensräumen Wiese, Wald und Gewässer kann man in der Mitmach-Ausstellung erleben, was biologische Vielfalt bedeutet, wie sie erforscht wird. Über 50 interaktive Exponate und Medieninstallationen laden zum Mitmachen ein und selbst zum Forscher zu werden, man kann Notrufe bedrohter Lebensräume hören, Gärten anlegen und Biodiversität riechen. Für Schulgruppen gibt es ein spezielles Programm.
(APA)