Die „Baumziegen“ sind mittlerweile eine beliebte Touristenattraktion geworden.

Wer in Marokko Urlaub macht kann im südwestlichen Teil des Landes ein außergewöhnliches Phänomen beobachten: Ziegen, die auf den Ästen von Bäumen stehen. Und das nicht nur auf den untersten Ästen, manche klettern bis in die Baumkrone. Es ist auch nicht nur eine Ziege – mehr als zehn Exemplare der gehörnten Tiere stehen in manchen Bäumen. Mittlerweile sind die „Baumziegen“ eine Touristenattraktion geworden.

Was treibt Ziegen in die Krone eines Baumes?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zunächst einmal etwas näher mit den Kletterbäumen der vierbeinigen Alpinisten beschäftigen. Bei denen handelt es sich nämlich um Arganbäume, Bäume, die zu den ältesten der Welt gehören. Der erste Arganbaum stand bereits vor 25 Millionen Jahren. Aber Arganbäume sind nicht nur relativ alt, sondern auch relativ selten. Sie wachsen weltweit nur in einer bestimmten, ca. 8000 Quadratkilometer großen, wüstenähnlichen Region im Südwesten Marokkos. Der Baum kann etwa zehn Meter hoch werden. Auffällig ist seine sehr breite Krone, die einen Durchmesser von über 20 Metern haben kann. Die Arganie ist sehr robust. Längere Trockenperioden und Temperaturen jenseits der 50 °C stellen für den Baum kein Problem dar. Dafür sorgen vor allem die langen Wurzeln, die bis zu 30 Meter tief ins Erdreich reichen, um dort das Grundwasser anzapfen zu können.

Für uns Menschen sind vor allem die gelben, pflaumenähnlichen Früchte des Arganbaumes von großem Interesse. Die sind zwar wegen ihres extrem bitteren Fruchtfleischs für einen Menschen völlig ungenießbar. Im Fruchtfleisch versteckt befinden sich jedoch drei etwa sonnenblumenkorngroße Kerne. Aus diesen wird eines der begehrtesten und teuersten Speiseöle der Welt, das Arganöl, hergestellt. Es wird zum Kochen, aber auch in der Kosmetik und Haarpflege verwendet.

Die Frage, warum Ziegen auf die Arganbäume klettern, ist also ganz einfach zu beantworten: Es ist schlichtweg der Hunger, der sie hoch hinauf in die Wipfel treibt. Dort können sich die Pflanzenfresser nach Herzenslust an den Blättern und vor allem an den kalorienreichen Früchten bedienen. Schließlich leben die Ziegen in einer wüstenähnlichen Region, Gras und andere Bodenpflanzen sind da Mangelware.

Das Klettern liegt in den Genen 

Hoch auf einen Baum zu klettern ist für die Ziegen keine all zu große Herausforderung. Die Kletterkunst steckt ihnen in den Genen. Die Vorfahren der Hausziegen lebten nämlich wie die Steinböcke, die ja ebenfalls zu den Ziegen gehören, im Hochgebirge. Und um dort zu überleben, bedarf es der Kletterfähigkeit. Vor allem die Anatomie ihrer Hufe ist ihnen dabei dienlich. Während die Sohlenfläche weich und anschmiegsam ist und sich daher leicht jeder Geländeunebenheit anpassen kann, ist der Hufrand, der etwas übersteht, deutlich härter, so dass sich die Ziege an kleinen Vorsprüngen regelrecht festhaken kann. Außerdem lassen sich die beiden Hufklauen gegeneinander verschieben, so dass auch an sehr steilen Stellen immer ausreichend Kontakt für einen festen Halt vorhanden ist.

Die Frage, ob die „Ziegenbeweidung“ für die Arganbäume schädlich ist, wird unter Experten kontrovers diskutiert. Es gibt aber auf jeden Fall auch eine positive Wirkung: Da die Ziegen die Früchte fressen, die unverdaulichen Samen aber an entfernteren Plätzen wieder ausscheiden, sorgen sie für eine gute Verbreitung der Arganbäume.